Berlin,
den 20. April 1999
Sehr geehrter Herr
Bischoff
hiermit möchten wir Ihnen ein Buchkonzept anbieten, an dessen Realisierung
wir im Moment arbeiten. Wir wissen nicht, ob es so etwas wie diese Enzyklopädie
schon einmal gegeben hat. Aber wir glauben, daß das Leben auf
der intellektuellen Überholspur ein einzigartiges Buch ist.
In diesem Buch haben wir alles, wahrhaftig alles, geschrieben, was wir
zu einer kleinen, aber hinreichenden Auswahl der berühmtesten und
mächtigsten Menschen der Menschheitsgeschichte wußten - nicht
mehr und nicht weniger. Kriterium der Aufnahme einzelner Personen bzw.
Sachverhalte in die Enzyklopädie war die Frage, ob man während
einer Diskussionsrunde ein Gefühl der Scham entwickeln würde,
nichts zu dem betreffenden Begriff vorbringen zu können, d.h. eine
subjektiv fühlbare, in diesem Sinne: eklatante Lücke in der
Allgemeinbildung zugeben müßte. Die unsichere, mitunter staksige
Lesart wird sich dem Leser spätestens dann erschließen, wenn
er selbst einmal versuchte, sich eine einzige der versammelten Berühmtheiten
vorzustellen und alles niederzuschreiben, was er zu der betreffenden
Person wüßte (und eben nicht: glaubte. Wüßte.)
Das Buch ist ein Ratgeber. Und auch ein Quell der Lebensfreude: Diejenigen,
die weniger wissen, als was in diesem Buch steht, freuen sich, weil
sie nach der Lektüre mehr wissen - sogar soviel, wie ein richtiger
Akademiker. Diejenigen, die mehr wissen, freuen sich, weil sie sehen,
daß man auch mit weniger Wissen durchkommt.
Von der Gesamtkonzeption ist von uns ein Volumen von ca. 300 Stichworten
anvisiert, was etwa 250 Buchseiten ergeben wird. Die Texte werden dabei
durch ausgewählte Illustrationen ergänzt. Eine kleine Auswahl
schon geschriebener Texte ist als Leseprobe beigefügt, ebenso ein
vorläufiger Index des schon zur Verfügung stehenden Materials.
Wenn Sie das Leben auf der intellektuellen Überholspur nicht verlegen
wollen, bitten wir Sie trotzdem um einen kurzen Rückruf, weil es
uns dann interessieren würde, warum.
Mit freundlichen Grüßen,
25.04.99 12:17:10 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit
Lieber
Herr Harms, lieber Herr Untch,
sorry, an einem Buch dieser Art ist nichts zu verdienen, denn solche und
ähnliche Lexika gibt es doch zuhauf. DESHALB wollen wir es nicht
verlegen.
Mit herzlichem Gruß
Matthias Bischoff
Berlin, den 26. April 1999
Sehr
geehrter Herr Bischoff,
haben Sie Dank, dass Sie so schnell auf unser Exposé zum Leben
auf der intellektuellen Überholspur geantwortet haben.
Die Tatsache, dass Ihr Bescheid negativ war, könnten wir beinahe
so hinnehmen, weil wir uns denken können, dass Sie Tag für Tag
bestimmt Dutzende an Manuskripten und Vorschlägen auf den Schreibtisch
bekommen. Allein - die Begründung Ihrer Ablehnung gab uns zu denken:
Sie schreiben, dass es so ein Buch schon des öfteren gegeben habe
und dass daher die Verkaufsaussichten nur als minimal eingeschätzt
werden könnten. Da uns in keinem Buchladen so etwas wie dieses Buch
begegnet ist, würde es uns interessieren, wo bzw. wann so eine Veröffentlichung
schon erschienen ist.
Es scheint uns daher vielmehr so, dass wir uns in unseren Exposé
nicht eindeutig genug ausgedrückt haben, denn unsere Einschätzung
der Vermarktungsmöglichkeiten der Überholspur geht zweifellos
in Richtung Kultbuch. Denn das Buch ist eindeutig kein Wissensbuch, wie
sämtliche sonstige Lexika und Enzyklopädien auf dem Markt, sondern
ein persönlicher Offenbarungseid des Wissens. Daher noch einmal unser
Vorschlag: Es wäre schön, wenn Sie sich jetzt einen Augenblick
Zeit nehmen könnten und sich über einer Tasse Kaffee oder Tee
einige Gedanken machen könnten, was Sie über die Person Buddhas
wissen (wahlweise Bakunin oder Nils Bohr bzw. irgendeine Berühmtheit
auf unserem beigefügten Index).
Es würde uns freuen, noch einmal von Ihnen zu hören.
Mit freundlichen Grüssen,
3. Mai 1999
Sehr
geehrter Herr Bischoff,
wir wollen auf keinen Fall bei Ihnen den Eindruck erwecken, Sie gegen
Ihren Willen zu irgendetwas nötigen zu wollen. Aber da Sie bislang
noch nicht auf unser Schreiben vom 26.04.1999 geantwortet haben, in der
wir Ihnen vorschlugen, sich einige Gedanken zu den Personen Buddha, Bakunin
und Nils Bohr zu machen, denken wir an diesem Punkt, es könnte unsere
Pflicht sein, Ihnen die Aufgabenstellung etwas zu erleichtern, indem wir
Ihnen als Vergleichswert unseren eigenen Wissensstand zu diesen drei Berühmtheiten
mitteilen - wie gesagt: ohne Nachschlagen! (Mehr wissen wir nicht.)
Es würde uns freuen, wenn wir im Lauf der nächsten Woche zum
Vergleich eine Arbeitsprobe Ihres Wissens zu diesen Personen zugesandt
bekämen. Natürlich können Sie sich auch andere Stichworte
aussuchen, aber nicht mogeln, d.h. kein Lexikon zur Hand nehmen oder Ihre
Lektorenkollegen fragen.
Mit freundlichen Grüssen und hoffentlich bis bald, (Leseprobe
Buddha)
04.05.99 12:46:53 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit
Lieber
Ralf Harms, lieber Rainer Untch,
sorry, es hilft alles nix: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen,
wer dieses Buch kaufen soll. Und leider - ich schwörs - geht es den
Kollegen im Vertrieb, denen ich das Projekt gestern kurz vorstellte, nicht
anders. Wir werden uns in den A.....beißen, wenn das Werk irgendwo
zum Bestseller wird, aber mit diesem Risiko wollen wir leben.
Herzlich grüßt, Matthias Bischoff
11. Mai 1999
Lieber
Matthias Bischoff,
verzeihen Sie bitte, dass wir uns erst mit einer Woche Verspätung
bei Ihnen melden, aber Sie müssen wissen, dass wir gerade - unabhängig
von Verlags- und Vermarktungsstrategie - eine Lesungs- und Veranstaltungstournee
für unser Buch durch Deutschland vorbereiten.
Wir haben uns sehr über Ihre Nachricht gefreut, nicht zuletzt, weil
Sie auch versucht haben, uns schonend beizubringen, dass unser Vorhaben
aussichtslos wäre. Sie schreiben, Sie wüssten niemanden, der
unser Buch kaufen wolle. Da würde uns einmal interessieren, an wen
Sie dabei lediglich gedacht haben. Unsere Erfahrungen sehen in diesem
Punkt ganz anders aus, denn wir haben uns ja erst dem Druck der Öffentlichkeit
gebeugt, als wir entschieden, das Buch gerne zur Veröffentlichung
freizugeben. Dass dabei unsere Wahl auf den Eichborn-Verlag fiel, könnte
Sie ermutigen. Die meisten Menschen, denen wir von unserem Projekt berichtet
haben, waren begeistert davon. Wenn Sie wünschen, können wir
Ihnen gerne eine Unterschriftenliste von Personen zukommen lassen, die
dieses Buch in jedem Fall sofort nach Erscheinen kaufen werden.
Wo liegt also die Diskrepanz zwischen Ihrer Einschätzung der Vermarktbarkeit
und der unserer Referenzpersonen? Wir möchten, nehmen Sie es uns
nicht übel, noch einmal die wichtigsten Gründe nennen, die den
Erfolg unseres Buches begründen können, d.h. das Risiko eines
sog. "Flops" für Ihren Verlag minimieren werden:
1. Das Buch ist neuartig. Es hat noch niemals zuvor jemand versucht, ein
Nachschlagewerk zu schreiben, ohne selbst nachzuschlagen. Wir haben einzig
und allein unsere Gedächtnisse konsultiert. Dadurch wird unser Buch
zu einer vollständigen Offenbarung unseres selbstverständlich
begrenzten Wissens. Dieser Exhibitionismus (im guten Wortsinne!) wird
i. d. R. als "sexy" empfunden.
2. Das Buch ist unterhaltsam. Gut, dieser Punkt ist eine Frage des Geschmackes,
denn man muss es nicht unbedingt mögen. Dennoch wird uns überwiegend
gute Lesbarkeit und lustige Schreibe attestiert. Sie sind offen gestanden
der erste Mensch, der unser Buch wahrscheinlich nicht lustig findet.
3. Den Rest müsste eine ausgeklügelte Marketingstrategie erledigen,
bei der wir Sie gerne ideenreich unterstützen werden.
Wir möchten Sie bitten, diese Argumente noch einmal reiflich zu überdenken
(wir nehmen Ihnen Ihre vorsichtige Grundhaltung keineswegs übel,
denn der Beruf eines Verlagslektors ist sicherlich nicht ganz einfach),
und endlich zu einem ersten Angebot zu kommen.
Mit hoffnungsfrohen Grüssen
P.S. Um Sie und Ihre Kollegen vom Vertrieb noch ein wenig anzufüttern,
hier eine weitere kleine Leseprobe:
Kahlo, Frida / Hawking, Steven / Abu-Jamal, Mumia
01.07.99 17:50:40 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit
So,
lieber Harms/Untch,
jetzt isses endlich soweit: Ich bin seit 1.7. nicht mehr zustandig fur
Humoriges, sondern nur noch fur die seriöse (ha ha) Belletristik.
Das hindert mich aber nicht daran, Sie auf meinen neuen Kollegen zu hetzen.
Also nun ernsthaft: Senden Sie doch bitte nochmals das Konzept in schriftlicher
Form an uns (d.h. nun zu Handen von Oliver Domzalski). Ich halte mich
zuruck und lasse den Kollegen einfach mal eine eigene Meinung entwickeln.
Dann hören Sie von ihm, oder halt nicht - gut, was?
Herzlich grüßt MB
5. Juli 1999
Zuallererst,
lieber Herr MB, alles Gute zu Ihrer Beförderung! Das muss ein schönes
Gefühl sein, nicht mehr länger als Spassverderber für aufstrebende
Nachwuchsautoren herhalten zu müssen (kleiner Scherz).
Obwohl wir es im ersten Moment natürlich bedauerlich fanden, von
Ihnen zu hören, dass Sie die Zuständigkeit für die INTELLEKTUELLE
ÜBERHOLSPUR abgeben wollen, möchten wir Ihnen a) herzlich danken
für Ihre bisherigen Bemühungen, dieses Werk in die Spur zu bringen
und b) uns die winzige Frage erlauben, weshalb Sie der Meinung sind, dass
unsere Buchidee nicht seriös genug sein soll, auch in der Belletristikabteilung
des renommierten Eichbornverlags überzeugen zu können. Denn
natürlich ist das Buch nicht unbedingt von der trockensten Sorte,
doch vom Ansatz her durchaus mit einem ernsthaften Hintergrund versehen
(aber das nur als abschliessende Bemerkung, denn wir wollen bei Ihnen
natürlich nicht den Eindruck erwecken, über die Massen aufdringlich
zu sein).
Da sich Ihr Kollege Domzalski aus dem Ressort Humor noch nicht bei uns
gemeldet hat, wir jedoch denken, dass es gewiss für die zukünftige
Vermarktungsstrategie unseres Buchprojekts in Ihrem Verlag von entscheidender
Bedeutung sein wird, nun die richtigen Weichen zu stellen, möchten
wir Sie bitten, Ihren Kollegen, wenn Sie ihn demnächst mal wieder
in der Kantine treffen sollten, auf unser Buchprojekt ansprechen und ihn
ggf. bitten, sich mit uns umgehend in Verbindung zu setzen.
Wir hoffen, dass Sie diese Bitte nicht als Dreistigkeit auffassen, möchten
Sie jedoch darauf aufmerksam machen, dass unsererseits bislang noch nicht
von einer Festlegung auf Ihren Verlag die Rede war. Da Ihr Verlag dennoch
gemeinsam mit der Haffmanns Verlags AG, Zürich, auf unserer Verlagswunschliste
nach wie vor an No.1 geführt wird, wäre es doch sehr schade,
wenn plötzlich z. B. S. Fischer ankäme und Ihnen die W... vom
Brot nähme.
Machen Sie es gut - und lassen Sie auch weiterhin von sich hören,
denn wir wissen, was wir an Ihnen haben.
Freundlichst,
Datum: 28.07.99 11:38:06 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit
Lieber
Herr Harms, lieber Herr Untch,
haben Sie Dank für die diversen Schreiben zum Thema "Leben auf
der intellektuellen Überholspur", die Matthias Bischoff an mich
weitergereicht hat.
Ich habe mir Ihr Konzept unvoreingenommen angesehen und erst danach mit
dem Kollegen Bischoff gesprochen.
Leider überzeugt mich die Buchidee ganz und gar nicht. Das Ganze
hat weder dokumentarischen noch decouvrierenden Charakter, sondern ist
einfach nur sinnlos: Zwei Menschen schreiben einfach so hin (und dazu
noch gewollt witzig), was ihnen zu ein paar Begriffen einfällt, die
Sie mit einer "wissenschaftlichen Methode" (Ha! Wenn eine erweiterte
Partyumfrage neuerdings eine "wissenschaftliche Methode ist",
gebe ich meinen Dr. phil zurück!) ermittelt haben.
Ich schließe mich also dem Urteil meines Kollegen Bischoff vorbehaltlos
an und teile Ihnen abschließend und endgültig mit, daß
aus Ihrer Idee unter keinen Umständen ein Eichborn-Buch werden wird.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Oliver Thomas Domzalski
30.Juli
1999
Sehr
geehrter Herr Dr. phil. Oliver Thomas Domzalski,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort auf
unseren Vorschlag, das Buchprojekt Leben auf der intellektuellen Überholspur
in Ihr Verlagsprogramm aufzunehmen. Wir haben hier in der Redaktion lange
hin- und herdiskutiert, ob wir Ihnen auf ihr doch etwas barsch geratenes
Schreiben überhaupt noch einmal antworten sollten. Mit einem Blick
auf die Situation auf dem deutschen Buchmarkt haben wir uns durchgerungen,
es doch zu tun.
Daß Sie unser Buchprojekt nicht mögen, bzw. verstehen wollen,
ist für uns "kein Arm- und Beinbruch", um uns in einer
für Sie vielleicht genehmeren Ausdrucksweise zu bewegen (wir haben
ja nicht geschlafen, sondern auch einige Bücher aus Ihrem Haus gelesen,
u.a. die mit der bärenstark schönen Sprache). Sie schreiben,
Sie hätten "zunächst" gar nicht "kapiert",
worin der Charme unseres Buchprojektes bestehen sollte. Wir fragen uns
natürlich, woran das liegen könnte. Bislang haben wir ja mit
dem freundlichen Herrn Bischoff sehr gut zusammengearbeitet, doch leider
scheint das ja nun mit Ihnen nicht so "zu flutschen". Wir haben
uns überlegt, ob es gerade an Ihrer auf den ersten Blick sehr guten
Ausbildung liegen mag - vielleicht schon wieder zu guten? Denn ein Dr.
phil. liest ja gewiß die ihm zugesandten Werke mit großem
Sachverstand, was natürlich bei Lexika der Ungewolltesten Irrtümer
bzw. der Lustigsten Sexualstellungen von Tieren ein guter Zug ist, aber
bei etwas hintergründigeren Konzepten könnte dadurch vielleicht
etwas die Erdung mit dem Ihnen vielleicht aus der Presse bekanntem Thema
"Humor" fehlen.
Wir haben uns in der Zwischenzeit natürlich auch unsere Gedanken
gemacht und sind auf folgende Idee gekommen, die wir Ihnen als Erweiterung
zu unserem Buchprojekt anbieten möchten: Bislang hatten wir noch
nicht in Erwägung gezogen, auch eine Gold-Edition der Überholspur
herauszugeben. Zwar meinen wir, daß das gesammelte Halbwissen zweier
"treuherziger" Akademiker mit Studienabschluß 1,0 schon
ein Bestseller werden könnte. Doch natürlich können wir
uns vorstellen, die Vorgabe des Buchprojektes dahingehend anspruchsvoller
zu gestalten bzw. zu verschärfen, daß ausschließlich
Dr. phils ihr gesamtes Wissen zu den ca. 300 wichtigsten Persönlichkeiten
und Ereignissen der Menschheitsgeschichte zu Papier bringen - ohne nachzuschlagen,
selbstverständlich. Wenn Sie sich mit dieser Idee eher anfreunden
können, nehmen Sie sich in einer ruhigen Minute in der Kantine Ihres
Verlages einmal einen Stift zur Hand und schreiben Sie alles auf, was
Sie persönlich, Herr Dr. Domzalski, zu, sagen wir: Planck, Max, Steiner,
Rudolf und Hubbard, Ron L. vorbringen können. Trauen Sie sich einmal
heran an Ihr eigenes, ganz persönliches Wissensreservoir. Es ist
nicht schwer, und wenn Sie während des Schreibens einmal an den Punkt
des Schämens kommen sollten, nichts Genaues über das Geburtsjahr
von Hubbard oder die exakten Verdienste von Max Planck zu wissen, versuchen
Sie diesen Punkt zu überschreiten - vielleicht ist der Witz der dann
in den von Ihnen gewählten Formulierungen zum Ausdruck kommt, ähnlich
ungewollt (!) witzig, wie die Textbeispiele, die Sie von uns bislang erhalten
haben.
Nur zu, trauen sie sich. So wenig werden Sie schon nicht wissen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dipl. Ing. Ralf Harms, M.A. Rainer Untch
P.S. Sie können Ihren Dr. phil beruhigt behalten. Es gab nie eine
Partyumfrage, aus der wir eine wissenschaftliche Methode ableiteten, was
jedoch nicht ausschließt, daß dies durchaus ein interessanter
Gedanke zur empirischen Datenerhebung sein könnte. Denken Sie mal
darüber nach.
Übrigens hatten wir beide auch Angebote, zu promovieren, entschieden
uns jedoch, den steinigen Weg des Schriftsstellertums zu gehen. Das nur
als Information.
30.07.99 15:31:22 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit
Lieber
Herr Harms, lieber Herr Untch,
sorry, allzu barsch sollte mein Schreiben nicht klingen; ich wollte nur
deutlich machen, daß ich Ihre Idee nicht als Buch sehe. Ihre Sorge,
es könnte mir am notwendigen Humor mangeln, um Ihren Vorschlag sachgerecht
zu beurteilen, kann ich schwerlich kommentieren. Explaining a joke is
never funny - und ebenso wenig überzeugend ist es, zu beteuern, man
habe Humor. Ich kann Sie nur bitten, mir zu glauben: Daran liegt es nicht.
Und mit dem Dr. phil hat es auch nix zu tun - den hatte ich nur scherzhaft
ins Spiel gebracht, weil es Ihnen zu meiner Belustigung gelungen ist,
die ganze Geschichte nicht als Jux, sondern als hehre Wissenschaft zu
deklarieren. Insofern brauchen wir einander unsere Bildung und unsere
Noten nicht weiter um die Ohren zu hauen.
Zur Sache: Mir ist weiterhin schleierhaft, wieso jemand ein Buch sollte
lesen wollen, in das Sie beide und meinetwegen auch ich hineingeschrieben
haben, was Ihnen / uns so einfällt zu Planck und Einstein etc. Mir
mangelt es gewiß nicht an Autoreneitelkeit, aber ich weiß
doch: Das will niemand lesen! Und ich bestreite auch weiterhin tapfer,
daß es unterhaltsam wäre. Unterhaltsam für Schadenfreudige
wäre vielleicht eine Fernsehshow, in der studierte Leute bei ihrem
rudimentären Wissen gepackt und vorgeführt werden. Oder eine
Rubrik nach dem Muster des FAZ-Fragebogens. Oder ein Gesellschaftsspiel,
in dem die Teilnehmer sich mit Nichtwissen zu Themen blamieren, über
die sie eigentlich Bescheid wissen müßten. Und es könnte
tatsächlich auch mal passieren, daß ich mich in einer öden
Stunde damit vergnüge, aufzuschreiben, was ich tatsächlich aus
dem Kopf über Karl Marx etc. weiß.
So weit, so gut: Aber wieso sollen 5.000 oder mehr Leute nachlesen, was
den Herren Domzalski, Harms und Untch so einfällt, wenn sie in der
Kantine an Rudolf Steiner denken??? Und dafür auch noch Geld bezahlen???
Jetzt würde ich Sie bitten, einmal nicht so auf dem Schlauch zu stehen,
sondern mir diese Frage tatsächlich zu beantworten. Beschreiben Sie
mir - über den Bekanntenkreis hinaus, der von Ihrer Jux-Idee weiß
oder Ihre Namen kennt - ein Mitglied der Zielgruppe für so ein Buch.
Also: Wir sind definitiv unterschiedlich Meinung im entscheidenden Punkt:
Ihre Überzeugung, "daß das gesammelte Halbwissen zweier
"treuherziger" Akademiker mit Studienabschluß 1,0 schon
ein Bestseller werden könnte", bestreite ich kategorisch! Die
"Entlarvung" des allseits bekannten Umstands, daß Akademiker
oft Fachidioten sind, die über Themen von allgemeinem Interesse nur
ungefähr Bescheid wissen, noch dazu vorgeführt an einer statistisch
unglaublich aussagekäftigen Gruppe von zwei (in Worten: 2) Exemplaren
der Spezies, ist kein Buchthema! Wenn Sie an dieser Meinung festhalten,
sollten Sie schon handfeste Argumente liefern.
Mit freundlichem Gruß
1. August 1999
Lieber
Herr Domzalski,
sehr schön. Wir hatten schon gedacht, daß wir uns auf einen
langwierigen Stellungskrieg mit Ihrem Verlagshaus einrichten müßten,
doch als wir am Freitag Abend Ihre prompte Antwort auf unser zugegebenermaßen
etwas voreingenommenes Schreiben erhielten, haben wir uns sehr gefreut.
Die Offenheit ihrer Zeilen hat uns angenehm an die schönen Seiten
unseres Briefwechsels mit Ihrem Kollegen Bischoff erinnert. Besonders
die Tatsache, daß Sie mit dem Gedanken spielen, sich "in einer
öden Stunde" einmal selbst dem Wissensstriptease zu Marx, Karl
etc. auszusetzen, hat uns in helle Freude versetzt. Denn, Sie müssen
wissen, daß erstens das Unterfangen, alles zu schreiben, was man
weiß, keineswegs öde ist, sondern daß dieses Durchforsten
aller persönlichen Wissensreserven enormen Spaß macht, und
zweitens, daß gerade in dieser authentischen Herangehensweise der
Schlüssel zum Verständnis des Charmes unseres Buchprojektes
liegt.
Wir haben uns Ihre Einwände zum Leben auf der intellektuellen Überholspur
reiflich durch den Kopf gehen lassen, sind dabei jedoch - sorry - zu dem
Schluß gelangt, daß wir Ihnen einiges, wenn nicht sogar: das
Wesentliche, an unserem Buchprojekt noch einmal erläutern sollten.
Dabei sind wir schon ein bißchen verzweifelt, daß Sie sich
nicht schon längst die Finger nach unserem Manuskript lecken. Denn
alle (wirklich: alle) Menschen, mit denen wir sprechen, sind tatsächlich
von der Buchidee begeistert und fragen nur, was wir falsch machen bzw.
was wir Ihnen beim Eichbornverlag denn so schicken, daß Sie die
Idee der Überholspur nicht gut finden können. Es könnte
ja sein, daß wir über die Maßen charismatische Persönlichkeiten
sein sollten, sodaß sich keiner traut zu sagen, was für eine
schwachsinnige Idee das nun wieder ist, aber das glauben wir nicht, denn
es handelt sich bei unseren Referenzpersonen durchaus auch um Menschen,
die uns in anderen Fällen auch schon ordentlich die Meinung gesagt
haben.
Also:
Sie schreiben, daß Sie unsere Idee nach wie vor nicht als "Buch"
sähen. Das ist insofern richtig, als das Leben auf der intellektuellen
Überholspur weniger ein Buch im klassischen Sinn ist, das durch das
Wissen oder das Talent von ein oder zwei erstklassigen Autoren für
andere Menschen lesenswert bzw. zum Bestseller werden könnte. Natürlich
nicht, denn wir würden auch nicht unbedingt die Memoiren von, sagen
wir mal: Oliver Domzalski, kaufen wollen, auch wenn er vielleicht ganz
schön und unterhaltsam schreibt. Sie haben hier völlig recht.
Aber dieses Argument geht dennoch am eigentlichen Punkt vorbei. Denn,
klar: Jeder könnte dieses Buch schreiben. Hat aber noch keiner. Womit
wir zum ersten Argument kommen: Das Leben auf der intellektuellen Überholspur
ist vielleicht weniger ein Buch als eher ein Buchprojekt. Es interessiert
uns nicht so sehr das Präsentieren von Informationen bzw. das Verweisen
auf das partielle Fehlen derselben, sondern der Akt des Offenbarens selbst
(um das jetzt mal ein bißchen pathetisch auszudrücken). Damit
wir uns richtig verstehen: Es geht uns in keinster Weise um irgendetwas
wie Decouvrieren, Entlarven oder Bloßstellen, wie Sie anscheinend
mutmaßen. Wir wollen einfach sagen: So, das ist es; das ist alles,
was wir wissen, weißt Du mehr? Wir wollen ausdrücklich nicht
ausschließen d. h. unterteilen in Wissende und Unwissende, oder
in einer Talkshow für Schadenfreudige jemandem die Hosen herunterziehen.
Wir haben uns selbst als Versuchskaninchen gewählt, um unser - ausdrücklich:
ganz persönliches (Stichprobe: n=2) - Wissen, und zwar unser gesamtes,
lückenloses Wissen zu den ca. 300 bedeutendsten Persönlichkeiten
und Ereignissen der Menschheitsgeschichte aufzuschreiben. Für den
Leser soll bzw. kann das auf der einen Seite natürlich einen humorvoll-unterhaltsamen
Effekt haben, andererseits wird ihm dadurch jedoch auch eine positive
Botschaft angeboten, worauf wir Sie auch schon in unserem ersten Exposé
hingewiesen haben.
Sie haben ja schon einige Artikel von uns zugesandt bekommen. Wenn Sie
diese vielleicht noch einmal durchlesen möchten, mit dem Augenmerk
auf die Fragen: Wo weiß ich mehr? Wo weiß ich weniger? Auch
wenn Sie als promovierter Akademiker vielleicht ja wirklich nicht zur
Zielgruppe der Überholspur gehören sollten, so ist es doch so,
daß man als Durchschnittsleser bei ca. 90% der Artikel wirklich
nicht mehr weiß. Zumindest sagen das mit gewissem Vergnügen
bzw. Erstaunen unsere Testleser (die übrigens auch nicht die Ungebildetsten
sind). Und wir denken, daß sich damit die Frage nach der Repräsentativität
unseres Ansatzes von selbst nicht mehr stellt. Es ist ziemlich gleichgültig,
ob sich 2 bzw. - Sie eingeschlossen - 3 Personen oder eine Stichprobe
von ca. 1000 Akademikern der Aufgabenstellung dieses Buchprojektes ausliefern,
im Gegenteil: Durch so etwas wie die Dokumentation eines Querschnittswissens
im breiten Sinn - "So fachidiotisch / ahnungslos ist unsere geistige
Elite also!" - verliert die Idee enorm. Es ist doch nicht schlimm,
bei einigen Personen oder Sachverhalten zugeben zu können, daß
man da irgendwann schon einmal durchaus mitgeredet hat. Beim Nachdenken,
was man denn konkret zu diesem Thema weiß, stellt sich plötzlich
das erheiternde Gefühl ein, selbst nicht genau zu wissen, woher man
diese Selbstsicherheit nimmt, mit der man durch den intellektuellen Diskurs
navigiert.
Unsere Vorgabe der Autorenschaft "Akademiker mit Studienabschluß
1,0" ist in diesem Zusammenhang weniger dazu gedacht, unser umfassendes
enzyklopädische Wissen oder unsere hervorragenden schriftstellerischen
Fähigkeiten zu unterstreichen bzw. zu karikieren, als vielmehr der
Vermarktungsmöglichkeit des Buches eine bestimmte Richtung zu geben.
Nachdem wir ja in unserem letzten Schreiben schon auf die Möglichkeit
einer Gold-Edition der Überholspur eingegangen sind, ist uns gestern
beim Bier die Idee einer Light-Version gekommen. Aber das ist eine andere
Geschichte.
Ihre Frage, wieso 10.000 oder mehr Leute nachlesen sollten, was den Herren
Domzalski, Harms und Untch "so" einfalle (noch einmal: - einfalle,
und zwar zu allen bedeutenden Personen der Menschheitsgeschichte, bei
denen man sich schämen müßte, nichts zu wissen), ist in
ebendiesem Sinne zu beantworten, nämlich, daß den potentiellen
Käufern die Idee womöglich einleuchten wird, daß sich
da drei junge (?) Menschen hingesetzt haben und sich wirklich die Mühe
gemacht haben, dieses Buch zustandezubringen und ihm, dem Leser, nun ihr
gesamtes Wissen, wie ein Hirn auf einem Tablett, präsentieren. Wir
glauben, Ihnen versichern zu können, daß es nicht wenige Menschen
geben wird, die dieses Buch einfach kaufen müssen, weil sie die Idee
so gut finden (und nicht nur weil es im Stern, in der Allegra und in der
ZEIT als interessant und vergnüglich rezensiert worden sein wird,
und womöglich nicht einmal als "Jux-Buch").
Wir denken darüberhinaus, daß sich dieses Buch hervorragend
als Verschenkbuch eignet, weil man damit den Beschenkten, wie auch sich
selbst, eine gewisse geistige Regheit attestiert: "Ich schenke dir
ein Buch, in dem alles, wirklich alles steht, was du wissen mußt,
um mitreden zu können!" Und es wird dem Buch und seiner Vermarktung
gewiß auch nicht schaden, als Klolektüre mit Humor und Inhalt
gehandelt zu werden, weil man nach Aussagen unserer Testleser beim Lesen
und Blättern förmlich in dieses Buch hineingezogen wird.
Daher nur noch einmal unsere eindringliche Bitte: Versuchen Sie doch wirklich,
die entsprechend öde Kantinenstunde möglichst schnell herbeizuführen.
Es macht Spaß, und wenn Sie sich tatsächlich Mühe geben
wollen, sich unserem Konzept anzunähern, denken wir, daß sich
wirklich auch eine interessante neue Perspektive bzw. Qualität für
Ihren Verlag ergeben könnte.
Zum letzten Punkt: Es ist natürlich bei einer anvisierten Auflagenhöhe
im fünfstelligen Bereich schwer, sich einen Käufer bzw. Leser
des Lebens auf der intellektuellen Überholspur als konkrete Person
herauszugreifen und ihn / sie als Vertreter einer bestimmten Zielgruppe
zu beschreiben. Da Sie sich jedoch auch so große Mühe mit uns
geben, wollen auch wir versuchen, uns in die Position eines Verlagslektoren
zu versetzen, dessen Hauptaugenmerk natürlich zweifelsohne das unternehmerische
Risiko des Verlagshauses sein muß.
Nundenn: Der Käufer ist natürlich nicht die Hausfrau, mit der
wir unser Buchprojekt bewerben, sondern männlich (muß nicht
sein, stellen wir uns aber so vor) und zwischen 17 und 43 Jahren alt (dito).
Seine Hauptmerkmale sind Aufgeschlossenheit und Humor und sein Name ist
Oliver Domzalski (nein, war ein Witz.) Also, der Käufer ist vermutlich
tatsächlich Student oder Akademiker und liest sonst vielleicht eher
Bücher aus dem Hause Merve. Er ist in jedem Falle undogmatisch und
pflegt daher seine Zweifel, daß sich das gesamte Wissen der Menschheit
auf der Encharta-CD-Rom von Microsoft befindet.
Wissen Sie was? Wir werden mit unserem Manuskript verschiedene Menschen,
die uns garantiert nicht bekannt sind, in den Kaffeehäusern der Hauptstadt
ansprechen und diese befragen, warum sie dieses Buch denn kaufen wollen
würden. Dazu werden wir Fotos machen, die wir Ihnen in unserem nächsten
Schreiben zusenden werden, als wirklich handfeste Argumente. Einverstanden?
Mit freundlichen Grüßen,
P.S. Wir haben am kommenden Montag, den 9. August, einen Interviewtermin
mit einem Redakteur des Deutschlandfunks. Wäre es da nicht von Vorteil,
wenn wir schon im Vorfeld etwaige Vermarktungsmöglichkeiten absprechen
könnten? Denn natürlich könnten wir wieder die Wissenschaftsschiene
reiten, aber wäre es denn nicht taktisch klüger, schon darauf
hinzuweisen, daß das Leben auf der intellektuellen Überholspur
schon so gut wie gedruckt ist, und zwar beim renommierten hessischen Eichbornverlag?
Wir müssen ja noch nicht unbedingt die ISBN-Nummer durchsagen, aber
es werden schon der eine oder andere Buchhändler bzw. ZEIT-Redakteur
vor den Radiogeräten sitzen.
02.08.99 10:46:06 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit
Liebe
Herren,
Sie sind hartnäckig.
Und Sie beginnen, Ihr Zeitkonto bei mir zu überziehen.
Ich bin und bleibe nicht überzeugt.
Ein Freund und ich haben einmal einer Sportagentur angeboten, im Vorprogramm
eines Bundesligaspiels unser Können in allen Sportarten vozuführen.
Den Vorschlag hätte jeder machen können. Hat aber noch keiner.
Womit wir zum ersten Argument kamen: Und interessierte nicht so sehr das
Präsentieren von Fähigkeiten bzw. das Verweisen auf das partielle
Fehlen derselben, sondern der Akt des Offenbarens selbst (um das jetzt
mal ein bißchen pathetisch auszudrücken). Wir waren sicher,
daß die 60.000 im Stadion das nicht nur unterhaltsam fänden,
sondern auch als Quell der Lebensfreude sehen müßten. Diejenigen,
die weniger können als wir, würden sich freuen, weil sie nach
dem Zuschauen mehr wüßten - sogar soviel, wie ein richtiger
Hobbysportler. Diejenigen, die mehr könnten, würden sich freuen,
weil sie sehen, daß man auch mit weniger Können durchkommt.
Wir dachten auch, daß den potentiellen Zuschauern die Idee womöglich
einleuchten würde, daß sich da zwei junge Menschen hinstellen
und sich wirklich die Mühe machen wollten, ihre gesammelten sportlichen
Fähigkeiten wie auf einem Tablett zu präsentieren. Wir waren
sicher, daß es nicht wenige Menschen geben würde, die diese
Vorführung einfach sehen mußten , weil sie die Idee so gut
fanden. Können Sie mir erklären, warum die Sportagentur uns
abgesagt hat?
Mit diesem Gleichnis betrachte ich unsere Korrespondenz über das
Projekt als beendet. Ich habe zu tun.
Bitte sagen Sie dem Deutschlandfunk also nicht, das Buch werde bei Eichborn
erscheinen!
Das wird es definitiv nicht!
Mit der Bitte um Verständnis und freundlichen Gruß
Oliver Thomas Domzalski
2. August 1999
Sehr
geehrter Herr Domzalski,
auch wenn Sie nun "zu tun haben", kommen wir nicht umhin, noch
einmal einige Punkte klarzustellen. Eins nur vorweg: Wir empfinden es
nicht als saubere Methode, den Stil eines Gegenübers aus Effektgründen
zu imitieren bzw. zu karikieren. Wir dachten, Sie hätten solches
nicht unbedingt nötig.
1. Standhaftigkeit (!) betrachten wir als Ausdruck unserer Überzeugung.
Sie scheinen ja auch nicht so einfach einzuknicken.
2. Wir gingen davon aus, daß Ihre Arbeit zumindest teilweise in
der Kontaktaufnahme und Betreuung von Nachwuchsautoren bestehen könnte.
In diesem Sinne hatten wir nie ein Zeitkonto bei Ihnen beantragt. (Mißverstehen
Sie das bitte nicht, aber es ist nicht unbedingt fair, unterstellt zu
bekommen, lästig zu sein, wenn man sich selbst gezwungen sieht, offenbar
unklar gebliebene Sachverhalte immer wieder aufs Neue zu erklären.)
3. Die Idee mit der Sportvorführung ist gar nicht übel. Aber:
Sind Sie denn wirklich so unsportlich, wie Sie uns unterstellen, uninspiriert
zu sein? Wenn Sie uns zum jetzigen Zeitpunkt mit "Hobbysportlern"
vergleichen, dann fragen wir uns, warum wir uns überhaupt weiterhin
bemühen sollten, Sie in seitenlangen Schreiben von der Ernsthaftigkeit
unseres Anliegens zu überzeugen. Es geht uns, noch einmal, nicht
darum, uns zu entblöden, sondern - ach, nicht schon wieder. Können
Sie denn tatsächlich nicht einen interessanten Projektvorschlag von
offenkundigem Nonsens unterscheiden? Wenn Sie tatsächlich meinen,
den Kern unseres Anliegens in diese mittelmäßig geschriebene
Parabel packen zu können: Herzlichen Glückwunsch. Bleiben Sie
bei Ihrer Meinung und viel Spaß bei den nächsten Manuskriptangeboten,
wie Das lustige Sexualleben der Pflanzen, Bockstarker Wissensstriptease
etc.
4. Wenn Sie unsere Korrespondenz einseitig als beendet erklären wollen,
irritiert es uns doch, warum Sie darin dann noch weitere Fragen an uns
richten. Wenn es Sie jedoch wirklich interessiert, warum wir meinen, daß
diese "Sportagentur" Ihnen abgesagt haben könnte, möchten
wir Sie einladen, daß Sie sich, wenn Sie einmal in näherer
Zukunft in Berlin zu tun haben, bei uns melden, und wir können dieses
Thema dann in aller Ruhe besprechen.
Um Antwort, ggf. Richtigstellung, bitten
R. Harms, R. Untch
13. Oktober 1999
Sehr
geehrter Herr Dr. Domzalski.
Hiermit möchten wir Sie darüber in Kenntnis setzen, dass wir
momentan von unserem Rechtsanwalt rechtliche Schritte gegen Sie bzw. Ihr
Verlagshaus prüfen lassen.
Wie Sie vermuten konnten, beobachten wir in letzter Zeit sehr genau die
Publikationspolitik Ihres Verlags. So ist uns natürlich auch der
Titel "Bildung - Alles was man wissen muss", Eichborn Verlag,
DM 49,80 von einem gewissen Professor bzw. Talkshowstar namens Dietrich
Schwanitz nicht entgangen.
Wir zitieren aus einer Rezension, erschienen im SPIEGEL online 41 / 1999:
"Denn für ihn ["Schwanitz"] ist das lustvoll bis flapsig
eingedampfte Wissen ein großes Spiel, ein fröhlicher Kassensturz
unserer Traditionsbedürfnisse." Und weiter: "Entsprechend
lässt der Schwanitz-Kanon sich durchaus als intellektueller Striptease
eines alternden deutschen Akademikers lesen, der das, was ihm für
das Verstehen der großen Zusammenhänge genügt, auch anderen
empfiehlt."
Nun? Erinnern Sie sich?: "Mir ist weiterhin schleierhaft, wieso jemand
ein Buch sollte lesen wollen, in das Sie beide und meinetwegen auch ich
hineingeschrieben haben, was Ihnen/uns so einfällt zu Planck und
Einstein etc. Mir mangelt es gewiß nicht an Autoreneitelkeit, aber
ich weiß doch: Das will niemand lesen! Und ich bestreite auch weiterhin
tapfer, daß es unterhaltsam wäre." Und auch hier weiter:
"Die ‚Entlarvung' des allseits bekannten Umstands, daß
Akademiker oft Fachidioten sind, die über Themen von allgemeinem
Interesse nur ungefähr Bescheid wissen, noch dazu vorgeführt
an einer statistisch unglaublich aussagekäftigen Gruppe von zwei
(in Worten: 2) Exemplaren der Spezies, ist kein Buchthema!"
Hoppla, Herr Oliver Domzalski, woher der plötzliche Meinungsumschwung
Ihres Lektorats? Fanden Sie die Stichprobe n=1 doch aussagekräftiger?
Bzw.: Wann genau hatten Sie bzw. Ihr Kollege Bischoff unser erstes Exposé
vorliegen? Und wann ist Herr Schwanitz mit seiner Buchidee bei Ihnen vorstellig
geworden? Doch nicht nach dem 17. August diesen Jahres, dem Tag Ihrer
endgültigen Absage (siehe Anlage)? Wie steht es eigentlich um die
Kommunikation innerhalb Ihres Verlagshauses? Oder sollte ein Autor möglicherweise
von Ihnen gedungen worden sein, eine gar nicht so schlechte Idee rechtzeitig
zur Frankfurter Buchmesse umzusetzen?
Wir hoffen, Sie verstehen, dass wir es nicht bei einer Abmahnung belassen
können und fordern Sie hiermit auf, eine Stellungnahme zu diesem
Vorfall abzugeben.
Hochachtungsvoll,
20. Oktober 1999
Sehr
geehrter Herr Domzalski.
Na gut. Die letzte Mail war vielleicht etwas hart. Aber jetzt mal Hand
aufs Lektorenherz: Wie würden Sie sich wohl fühlen, von Ihrem
Lieblingsverlag einen 100% abschlägigen Bescheid zu einer Buchidee
zu bekommen, um die nahezu identische Idee just zwei Monate später
von ebendiesem Verlag noch druckfrisch auf der größten deutschen
Buchmesse präsentiert zu sehen?
Sie müssen verstehen, daß wir nicht schlecht gestaunt haben
über Ihren Streich, mit dem Sie es geschafft haben, uns zuvorzukommen
bzw. auszubooten. Da steckte wirkliche Enttäuschung drin. Der Zufall
war natürlich auch beteiligt, dies zu Ihrer Entlastung, als wir entschieden,
gerade dem Eichborn-Verlag unser Konzept anzubieten. Dadurch, daß
Sie uns dann hingehalten haben, was uns wiederum viel Zeit kostete, ist
Ihnen vorerst ein peinlicher Zwischenfall erspart geblieben: Zwei Nachschlagewerke
im Direktvergleich.
Gut - was bleibt, ist entweder der Ideenklau oder - wahrscheinlicher -
die absichtliche Täuschung, um uns von der Vollendung unseres Buchprojekts
vor der Fertigstellung eines nahezu identischen Konzeptes des Eichborn
- Verlages abzuhalten. Rechtlich ist das nach Auskunft unseres Anwaltes
eher 50:50, es sei denn, Sie können uns keine Beweise liefern, daß
Schwanitz vor dem 26.4.1999 die Idee hatte. Was nicht heißt, daß
wir es nicht gerichtlich versuchen können. Aber ich denke, wir stimmen
eigentlich darin überein, auch wenn Sie das jetzt nicht offen zugeben
können, daß dieser Fall schon aus berufsethischen Gründen
mehr als zweifelhaft erscheint. Deshalb würden wir gerne mit Ihrem
Verlag über eine außergerichtliche Einigung verhandeln, auch,
um die nächsten Fragen neugieriger Fernsehreporter souveräner
beantworten zu können.
MfG,
P.S. : Dabei hatten Sie in natura gar nicht einen so durchtriebenen Eindruck
gemacht. Mensch, Herr Domzalski, wenn Schwanitz wirklich schon vor uns
bei Ihnen auf dem Teppich gestanden haben sollte, warum haben Sie uns
das nicht gesteckt? Oder anders gefragt: Worin sehen Sie denn den Unterschied
zwischen "Bildung - ..." und dem LEBEN AUF DER INTELLEKTUELLEN
UEBERHOLSPUR? Das würde uns mal wirklich interessieren.
P.P.S.: Wir können nicht umhin, Ihnen noch einen kleinen, aber feinen
Artikel zur Lektüre mitzuschicken:
Leseprobe Leibniz
Datum:
20.10.99 13:30:25 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit
Sehr
geehrte Herren,
hier sind Sie richtig: hier ist das Humorlektorat.
Ihre letzte Mail hatte ich halbversehentlich gelöscht, ohne sie zu
lesen. Offenbar enthielt sie eine Be-schimpfung, weil bei uns in diesem
Herbst ein seit langem geplantes Buch von Dietrich Schwanitz erschienen
ist, von dem Sie irrtümlich annehmen, sein Inhalt habe irgend etwas
mit dem Geschreibsel zu tun, das Sie uns einest angeboten hatten.
Da Ihre Annahme, ich hätte Sie absichtlich im Unklaren gelassen über
den Schwanitz-Plan, damit sein Buch nicht von Ihrem überrragend brillanten
Werk überstrahlt würde, ein ebenso offenischtlicher Scherz ist
wie alle daraus folgenden Schlußfolgerungen, Forderungen, Angebote
etc., hefte ich Ihr Schreiben in meinen Ordner "Kuriosa" ab
und betrachte unsere Korrespondenz hiermit endgültig als beendet.
Mit freundlichem Gruß
Oliver Th. Domzalski
20. Oktober 1999
Sehr
geehrter Herr Oliver Th. Domzalski.
Das hat man doch schon in der Pubertät gelernt, dass es nichts hilft,
die Augen zu schliessen, wenn man auf der Strasse steht und plötzlich
bemerkt, dass ein Auto auf der Überholspur herangebraust kommt. So
bemühen Sie sich, unsere Korrespondenz endgültig als beendet
zu betrachten - wir jedoch nicht. Und auch wenn Sie sich halbversehentlich
dumm und taub stellen wollen, sollte Sie dieses Verhalten nicht dazu verleiten,
unflätig zu werden.
Wir stellten Ihnen allgemein verständliche Fragen und da Sie bisher
vermieden haben, diese zu beantworten, möchten wir Sie hiermit nochmals
auffordern, wütende Lösch-Orgien in Zukunft zu unterlassen und
sachlich mit einer Begründung herüberzukommen, weshalb wir in
der Angelegenheit "Schwanitz", mit dem wir übrigens auch
schon Kontakt aufgenommen haben (dies nur als Information), nicht von
einem Skandal sprechen sollten. Wir denken nämlich, wie Sie vielleicht
heimlich vermuten, dass Ihnen selbst eventuell ein Irrtum bezüglich
der Einschätzung der Ähnlichkeit unseres krassen Geschreibsels
mit dem superbockstarken Geschreibsel Schwanitz' unterlaufen sein könnte.
Wir meinen es ernst.
Danke.
Datum: 20.10.99 15.37 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit
Den
angekündigten rechtlichen Schritten sehe ich mit der größten
Gelassenheit entgegen.
OTD |