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Briefwechsel mit Eichborn, Frankfurt (April bis Oktober 1999)

 

 

Berlin, den 20. April 1999

Sehr geehrter Herr Bischoff
hiermit möchten wir Ihnen ein Buchkonzept anbieten, an dessen Realisierung wir im Moment arbeiten. Wir wissen nicht, ob es so etwas wie diese Enzyklopädie schon einmal gegeben hat. Aber wir glauben, daß das Leben auf der intellektuellen Überholspur ein einzigartiges Buch ist.
In diesem Buch haben wir alles, wahrhaftig alles, geschrieben, was wir zu einer kleinen, aber hinreichenden Auswahl der berühmtesten und mächtigsten Menschen der Menschheitsgeschichte wußten - nicht mehr und nicht weniger. Kriterium der Aufnahme einzelner Personen bzw. Sachverhalte in die Enzyklopädie war die Frage, ob man während einer Diskussionsrunde ein Gefühl der Scham entwickeln würde, nichts zu dem betreffenden Begriff vorbringen zu können, d.h. eine subjektiv fühlbare, in diesem Sinne: eklatante Lücke in der Allgemeinbildung zugeben müßte. Die unsichere, mitunter staksige Lesart wird sich dem Leser spätestens dann erschließen, wenn er selbst einmal versuchte, sich eine einzige der versammelten Berühmtheiten vorzustellen und alles niederzuschreiben, was er zu der betreffenden Person wüßte (und eben nicht: glaubte. Wüßte.)
Das Buch ist ein Ratgeber. Und auch ein Quell der Lebensfreude: Diejenigen, die weniger wissen, als was in diesem Buch steht, freuen sich, weil sie nach der Lektüre mehr wissen - sogar soviel, wie ein richtiger Akademiker. Diejenigen, die mehr wissen, freuen sich, weil sie sehen, daß man auch mit weniger Wissen durchkommt.
Von der Gesamtkonzeption ist von uns ein Volumen von ca. 300 Stichworten anvisiert, was etwa 250 Buchseiten ergeben wird. Die Texte werden dabei durch ausgewählte Illustrationen ergänzt. Eine kleine Auswahl schon geschriebener Texte ist als Leseprobe beigefügt, ebenso ein vorläufiger Index des schon zur Verfügung stehenden Materials.
Wenn Sie das Leben auf der intellektuellen Überholspur nicht verlegen wollen, bitten wir Sie trotzdem um einen kurzen Rückruf, weil es uns dann interessieren würde, warum.
Mit freundlichen Grüßen,

 


25.04.99 12:17:10 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit

Lieber Herr Harms, lieber Herr Untch,
sorry, an einem Buch dieser Art ist nichts zu verdienen, denn solche und ähnliche Lexika gibt es doch zuhauf. DESHALB wollen wir es nicht verlegen.
Mit herzlichem Gruß
Matthias Bischoff

 


Berlin, den 26. April 1999

Sehr geehrter Herr Bischoff,
haben Sie Dank, dass Sie so schnell auf unser Exposé zum Leben auf der intellektuellen Überholspur geantwortet haben.
Die Tatsache, dass Ihr Bescheid negativ war, könnten wir beinahe so hinnehmen, weil wir uns denken können, dass Sie Tag für Tag bestimmt Dutzende an Manuskripten und Vorschlägen auf den Schreibtisch bekommen. Allein - die Begründung Ihrer Ablehnung gab uns zu denken: Sie schreiben, dass es so ein Buch schon des öfteren gegeben habe und dass daher die Verkaufsaussichten nur als minimal eingeschätzt werden könnten. Da uns in keinem Buchladen so etwas wie dieses Buch begegnet ist, würde es uns interessieren, wo bzw. wann so eine Veröffentlichung schon erschienen ist.
Es scheint uns daher vielmehr so, dass wir uns in unseren Exposé nicht eindeutig genug ausgedrückt haben, denn unsere Einschätzung der Vermarktungsmöglichkeiten der Überholspur geht zweifellos in Richtung Kultbuch. Denn das Buch ist eindeutig kein Wissensbuch, wie sämtliche sonstige Lexika und Enzyklopädien auf dem Markt, sondern ein persönlicher Offenbarungseid des Wissens. Daher noch einmal unser Vorschlag: Es wäre schön, wenn Sie sich jetzt einen Augenblick Zeit nehmen könnten und sich über einer Tasse Kaffee oder Tee einige Gedanken machen könnten, was Sie über die Person Buddhas wissen (wahlweise Bakunin oder Nils Bohr bzw. irgendeine Berühmtheit auf unserem beigefügten Index).
Es würde uns freuen, noch einmal von Ihnen zu hören.
Mit freundlichen Grüssen,

 


3. Mai 1999

Sehr geehrter Herr Bischoff,
wir wollen auf keinen Fall bei Ihnen den Eindruck erwecken, Sie gegen Ihren Willen zu irgendetwas nötigen zu wollen. Aber da Sie bislang noch nicht auf unser Schreiben vom 26.04.1999 geantwortet haben, in der wir Ihnen vorschlugen, sich einige Gedanken zu den Personen Buddha, Bakunin und Nils Bohr zu machen, denken wir an diesem Punkt, es könnte unsere Pflicht sein, Ihnen die Aufgabenstellung etwas zu erleichtern, indem wir Ihnen als Vergleichswert unseren eigenen Wissensstand zu diesen drei Berühmtheiten mitteilen - wie gesagt: ohne Nachschlagen! (Mehr wissen wir nicht.)
Es würde uns freuen, wenn wir im Lauf der nächsten Woche zum Vergleich eine Arbeitsprobe Ihres Wissens zu diesen Personen zugesandt bekämen. Natürlich können Sie sich auch andere Stichworte aussuchen, aber nicht mogeln, d.h. kein Lexikon zur Hand nehmen oder Ihre Lektorenkollegen fragen.
Mit freundlichen Grüssen und hoffentlich bis bald, (Leseprobe Buddha)

 


04.05.99 12:46:53 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit

Lieber Ralf Harms, lieber Rainer Untch,
sorry, es hilft alles nix: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wer dieses Buch kaufen soll. Und leider - ich schwörs - geht es den Kollegen im Vertrieb, denen ich das Projekt gestern kurz vorstellte, nicht anders. Wir werden uns in den A.....beißen, wenn das Werk irgendwo zum Bestseller wird, aber mit diesem Risiko wollen wir leben.
Herzlich grüßt, Matthias Bischoff

 


11. Mai 1999

Lieber Matthias Bischoff,
verzeihen Sie bitte, dass wir uns erst mit einer Woche Verspätung bei Ihnen melden, aber Sie müssen wissen, dass wir gerade - unabhängig von Verlags- und Vermarktungsstrategie - eine Lesungs- und Veranstaltungstournee für unser Buch durch Deutschland vorbereiten.
Wir haben uns sehr über Ihre Nachricht gefreut, nicht zuletzt, weil Sie auch versucht haben, uns schonend beizubringen, dass unser Vorhaben aussichtslos wäre. Sie schreiben, Sie wüssten niemanden, der unser Buch kaufen wolle. Da würde uns einmal interessieren, an wen Sie dabei lediglich gedacht haben. Unsere Erfahrungen sehen in diesem Punkt ganz anders aus, denn wir haben uns ja erst dem Druck der Öffentlichkeit gebeugt, als wir entschieden, das Buch gerne zur Veröffentlichung freizugeben. Dass dabei unsere Wahl auf den Eichborn-Verlag fiel, könnte Sie ermutigen. Die meisten Menschen, denen wir von unserem Projekt berichtet haben, waren begeistert davon. Wenn Sie wünschen, können wir Ihnen gerne eine Unterschriftenliste von Personen zukommen lassen, die dieses Buch in jedem Fall sofort nach Erscheinen kaufen werden.
Wo liegt also die Diskrepanz zwischen Ihrer Einschätzung der Vermarktbarkeit und der unserer Referenzpersonen? Wir möchten, nehmen Sie es uns nicht übel, noch einmal die wichtigsten Gründe nennen, die den Erfolg unseres Buches begründen können, d.h. das Risiko eines sog. "Flops" für Ihren Verlag minimieren werden:
1. Das Buch ist neuartig. Es hat noch niemals zuvor jemand versucht, ein Nachschlagewerk zu schreiben, ohne selbst nachzuschlagen. Wir haben einzig und allein unsere Gedächtnisse konsultiert. Dadurch wird unser Buch zu einer vollständigen Offenbarung unseres selbstverständlich begrenzten Wissens. Dieser Exhibitionismus (im guten Wortsinne!) wird i. d. R. als "sexy" empfunden.
2. Das Buch ist unterhaltsam. Gut, dieser Punkt ist eine Frage des Geschmackes, denn man muss es nicht unbedingt mögen. Dennoch wird uns überwiegend gute Lesbarkeit und lustige Schreibe attestiert. Sie sind offen gestanden der erste Mensch, der unser Buch wahrscheinlich nicht lustig findet.
3. Den Rest müsste eine ausgeklügelte Marketingstrategie erledigen, bei der wir Sie gerne ideenreich unterstützen werden.
Wir möchten Sie bitten, diese Argumente noch einmal reiflich zu überdenken (wir nehmen Ihnen Ihre vorsichtige Grundhaltung keineswegs übel, denn der Beruf eines Verlagslektors ist sicherlich nicht ganz einfach), und endlich zu einem ersten Angebot zu kommen.
Mit hoffnungsfrohen Grüssen
P.S. Um Sie und Ihre Kollegen vom Vertrieb noch ein wenig anzufüttern, hier eine weitere kleine Leseprobe:
Kahlo, Frida / Hawking, Steven / Abu-Jamal, Mumia

 


01.07.99 17:50:40 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit

So, lieber Harms/Untch,
jetzt isses endlich soweit: Ich bin seit 1.7. nicht mehr zustandig fur Humoriges, sondern nur noch fur die seriöse (ha ha) Belletristik. Das hindert mich aber nicht daran, Sie auf meinen neuen Kollegen zu hetzen. Also nun ernsthaft: Senden Sie doch bitte nochmals das Konzept in schriftlicher Form an uns (d.h. nun zu Handen von Oliver Domzalski). Ich halte mich zuruck und lasse den Kollegen einfach mal eine eigene Meinung entwickeln. Dann hören Sie von ihm, oder halt nicht - gut, was?
Herzlich grüßt MB

 


5. Juli 1999

Zuallererst, lieber Herr MB, alles Gute zu Ihrer Beförderung! Das muss ein schönes Gefühl sein, nicht mehr länger als Spassverderber für aufstrebende Nachwuchsautoren herhalten zu müssen (kleiner Scherz).
Obwohl wir es im ersten Moment natürlich bedauerlich fanden, von Ihnen zu hören, dass Sie die Zuständigkeit für die INTELLEKTUELLE ÜBERHOLSPUR abgeben wollen, möchten wir Ihnen a) herzlich danken für Ihre bisherigen Bemühungen, dieses Werk in die Spur zu bringen und b) uns die winzige Frage erlauben, weshalb Sie der Meinung sind, dass unsere Buchidee nicht seriös genug sein soll, auch in der Belletristikabteilung des renommierten Eichbornverlags überzeugen zu können. Denn natürlich ist das Buch nicht unbedingt von der trockensten Sorte, doch vom Ansatz her durchaus mit einem ernsthaften Hintergrund versehen (aber das nur als abschliessende Bemerkung, denn wir wollen bei Ihnen natürlich nicht den Eindruck erwecken, über die Massen aufdringlich zu sein).
Da sich Ihr Kollege Domzalski aus dem Ressort Humor noch nicht bei uns gemeldet hat, wir jedoch denken, dass es gewiss für die zukünftige Vermarktungsstrategie unseres Buchprojekts in Ihrem Verlag von entscheidender Bedeutung sein wird, nun die richtigen Weichen zu stellen, möchten wir Sie bitten, Ihren Kollegen, wenn Sie ihn demnächst mal wieder in der Kantine treffen sollten, auf unser Buchprojekt ansprechen und ihn ggf. bitten, sich mit uns umgehend in Verbindung zu setzen.
Wir hoffen, dass Sie diese Bitte nicht als Dreistigkeit auffassen, möchten Sie jedoch darauf aufmerksam machen, dass unsererseits bislang noch nicht von einer Festlegung auf Ihren Verlag die Rede war. Da Ihr Verlag dennoch gemeinsam mit der Haffmanns Verlags AG, Zürich, auf unserer Verlagswunschliste nach wie vor an No.1 geführt wird, wäre es doch sehr schade, wenn plötzlich z. B. S. Fischer ankäme und Ihnen die W... vom Brot nähme.
Machen Sie es gut - und lassen Sie auch weiterhin von sich hören, denn wir wissen, was wir an Ihnen haben.
Freundlichst,

 


Datum: 28.07.99 11:38:06 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit

Lieber Herr Harms, lieber Herr Untch,
haben Sie Dank für die diversen Schreiben zum Thema "Leben auf der intellektuellen Überholspur", die Matthias Bischoff an mich weitergereicht hat.
Ich habe mir Ihr Konzept unvoreingenommen angesehen und erst danach mit dem Kollegen Bischoff gesprochen.
Leider überzeugt mich die Buchidee ganz und gar nicht. Das Ganze hat weder dokumentarischen noch decouvrierenden Charakter, sondern ist einfach nur sinnlos: Zwei Menschen schreiben einfach so hin (und dazu noch gewollt witzig), was ihnen zu ein paar Begriffen einfällt, die Sie mit einer "wissenschaftlichen Methode" (Ha! Wenn eine erweiterte Partyumfrage neuerdings eine "wissenschaftliche Methode ist", gebe ich meinen Dr. phil zurück!) ermittelt haben.
Ich schließe mich also dem Urteil meines Kollegen Bischoff vorbehaltlos an und teile Ihnen abschließend und endgültig mit, daß aus Ihrer Idee unter keinen Umständen ein Eichborn-Buch werden wird.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Oliver Thomas Domzalski

 

 

30.Juli 1999

Sehr geehrter Herr Dr. phil. Oliver Thomas Domzalski,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort auf unseren Vorschlag, das Buchprojekt Leben auf der intellektuellen Überholspur in Ihr Verlagsprogramm aufzunehmen. Wir haben hier in der Redaktion lange hin- und herdiskutiert, ob wir Ihnen auf ihr doch etwas barsch geratenes Schreiben überhaupt noch einmal antworten sollten. Mit einem Blick auf die Situation auf dem deutschen Buchmarkt haben wir uns durchgerungen, es doch zu tun.
Daß Sie unser Buchprojekt nicht mögen, bzw. verstehen wollen, ist für uns "kein Arm- und Beinbruch", um uns in einer für Sie vielleicht genehmeren Ausdrucksweise zu bewegen (wir haben ja nicht geschlafen, sondern auch einige Bücher aus Ihrem Haus gelesen, u.a. die mit der bärenstark schönen Sprache). Sie schreiben, Sie hätten "zunächst" gar nicht "kapiert", worin der Charme unseres Buchprojektes bestehen sollte. Wir fragen uns natürlich, woran das liegen könnte. Bislang haben wir ja mit dem freundlichen Herrn Bischoff sehr gut zusammengearbeitet, doch leider scheint das ja nun mit Ihnen nicht so "zu flutschen". Wir haben uns überlegt, ob es gerade an Ihrer auf den ersten Blick sehr guten Ausbildung liegen mag - vielleicht schon wieder zu guten? Denn ein Dr. phil. liest ja gewiß die ihm zugesandten Werke mit großem Sachverstand, was natürlich bei Lexika der Ungewolltesten Irrtümer bzw. der Lustigsten Sexualstellungen von Tieren ein guter Zug ist, aber bei etwas hintergründigeren Konzepten könnte dadurch vielleicht etwas die Erdung mit dem Ihnen vielleicht aus der Presse bekanntem Thema "Humor" fehlen.
Wir haben uns in der Zwischenzeit natürlich auch unsere Gedanken gemacht und sind auf folgende Idee gekommen, die wir Ihnen als Erweiterung zu unserem Buchprojekt anbieten möchten: Bislang hatten wir noch nicht in Erwägung gezogen, auch eine Gold-Edition der Überholspur herauszugeben. Zwar meinen wir, daß das gesammelte Halbwissen zweier "treuherziger" Akademiker mit Studienabschluß 1,0 schon ein Bestseller werden könnte. Doch natürlich können wir uns vorstellen, die Vorgabe des Buchprojektes dahingehend anspruchsvoller zu gestalten bzw. zu verschärfen, daß ausschließlich Dr. phils ihr gesamtes Wissen zu den ca. 300 wichtigsten Persönlichkeiten und Ereignissen der Menschheitsgeschichte zu Papier bringen - ohne nachzuschlagen, selbstverständlich. Wenn Sie sich mit dieser Idee eher anfreunden können, nehmen Sie sich in einer ruhigen Minute in der Kantine Ihres Verlages einmal einen Stift zur Hand und schreiben Sie alles auf, was Sie persönlich, Herr Dr. Domzalski, zu, sagen wir: Planck, Max, Steiner, Rudolf und Hubbard, Ron L. vorbringen können. Trauen Sie sich einmal heran an Ihr eigenes, ganz persönliches Wissensreservoir. Es ist nicht schwer, und wenn Sie während des Schreibens einmal an den Punkt des Schämens kommen sollten, nichts Genaues über das Geburtsjahr von Hubbard oder die exakten Verdienste von Max Planck zu wissen, versuchen Sie diesen Punkt zu überschreiten - vielleicht ist der Witz der dann in den von Ihnen gewählten Formulierungen zum Ausdruck kommt, ähnlich ungewollt (!) witzig, wie die Textbeispiele, die Sie von uns bislang erhalten haben.
Nur zu, trauen sie sich. So wenig werden Sie schon nicht wissen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dipl. Ing. Ralf Harms, M.A. Rainer Untch
P.S. Sie können Ihren Dr. phil beruhigt behalten. Es gab nie eine Partyumfrage, aus der wir eine wissenschaftliche Methode ableiteten, was jedoch nicht ausschließt, daß dies durchaus ein interessanter Gedanke zur empirischen Datenerhebung sein könnte. Denken Sie mal darüber nach.
Übrigens hatten wir beide auch Angebote, zu promovieren, entschieden uns jedoch, den steinigen Weg des Schriftsstellertums zu gehen. Das nur als Information.

 


30.07.99 15:31:22 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit

Lieber Herr Harms, lieber Herr Untch,
sorry, allzu barsch sollte mein Schreiben nicht klingen; ich wollte nur deutlich machen, daß ich Ihre Idee nicht als Buch sehe. Ihre Sorge, es könnte mir am notwendigen Humor mangeln, um Ihren Vorschlag sachgerecht zu beurteilen, kann ich schwerlich kommentieren. Explaining a joke is never funny - und ebenso wenig überzeugend ist es, zu beteuern, man habe Humor. Ich kann Sie nur bitten, mir zu glauben: Daran liegt es nicht. Und mit dem Dr. phil hat es auch nix zu tun - den hatte ich nur scherzhaft ins Spiel gebracht, weil es Ihnen zu meiner Belustigung gelungen ist, die ganze Geschichte nicht als Jux, sondern als hehre Wissenschaft zu deklarieren. Insofern brauchen wir einander unsere Bildung und unsere Noten nicht weiter um die Ohren zu hauen.
Zur Sache: Mir ist weiterhin schleierhaft, wieso jemand ein Buch sollte lesen wollen, in das Sie beide und meinetwegen auch ich hineingeschrieben haben, was Ihnen / uns so einfällt zu Planck und Einstein etc. Mir mangelt es gewiß nicht an Autoreneitelkeit, aber ich weiß doch: Das will niemand lesen! Und ich bestreite auch weiterhin tapfer, daß es unterhaltsam wäre. Unterhaltsam für Schadenfreudige wäre vielleicht eine Fernsehshow, in der studierte Leute bei ihrem rudimentären Wissen gepackt und vorgeführt werden. Oder eine Rubrik nach dem Muster des FAZ-Fragebogens. Oder ein Gesellschaftsspiel, in dem die Teilnehmer sich mit Nichtwissen zu Themen blamieren, über die sie eigentlich Bescheid wissen müßten. Und es könnte tatsächlich auch mal passieren, daß ich mich in einer öden Stunde damit vergnüge, aufzuschreiben, was ich tatsächlich aus dem Kopf über Karl Marx etc. weiß.
So weit, so gut: Aber wieso sollen 5.000 oder mehr Leute nachlesen, was den Herren Domzalski, Harms und Untch so einfällt, wenn sie in der Kantine an Rudolf Steiner denken??? Und dafür auch noch Geld bezahlen???
Jetzt würde ich Sie bitten, einmal nicht so auf dem Schlauch zu stehen, sondern mir diese Frage tatsächlich zu beantworten. Beschreiben Sie mir - über den Bekanntenkreis hinaus, der von Ihrer Jux-Idee weiß oder Ihre Namen kennt - ein Mitglied der Zielgruppe für so ein Buch.
Also: Wir sind definitiv unterschiedlich Meinung im entscheidenden Punkt: Ihre Überzeugung, "daß das gesammelte Halbwissen zweier "treuherziger" Akademiker mit Studienabschluß 1,0 schon ein Bestseller werden könnte", bestreite ich kategorisch! Die "Entlarvung" des allseits bekannten Umstands, daß Akademiker oft Fachidioten sind, die über Themen von allgemeinem Interesse nur ungefähr Bescheid wissen, noch dazu vorgeführt an einer statistisch unglaublich aussagekäftigen Gruppe von zwei (in Worten: 2) Exemplaren der Spezies, ist kein Buchthema! Wenn Sie an dieser Meinung festhalten, sollten Sie schon handfeste Argumente liefern.
Mit freundlichem Gruß

 


1. August 1999

Lieber Herr Domzalski,
sehr schön. Wir hatten schon gedacht, daß wir uns auf einen langwierigen Stellungskrieg mit Ihrem Verlagshaus einrichten müßten, doch als wir am Freitag Abend Ihre prompte Antwort auf unser zugegebenermaßen etwas voreingenommenes Schreiben erhielten, haben wir uns sehr gefreut. Die Offenheit ihrer Zeilen hat uns angenehm an die schönen Seiten unseres Briefwechsels mit Ihrem Kollegen Bischoff erinnert. Besonders die Tatsache, daß Sie mit dem Gedanken spielen, sich "in einer öden Stunde" einmal selbst dem Wissensstriptease zu Marx, Karl etc. auszusetzen, hat uns in helle Freude versetzt. Denn, Sie müssen wissen, daß erstens das Unterfangen, alles zu schreiben, was man weiß, keineswegs öde ist, sondern daß dieses Durchforsten aller persönlichen Wissensreserven enormen Spaß macht, und zweitens, daß gerade in dieser authentischen Herangehensweise der Schlüssel zum Verständnis des Charmes unseres Buchprojektes liegt.
Wir haben uns Ihre Einwände zum Leben auf der intellektuellen Überholspur reiflich durch den Kopf gehen lassen, sind dabei jedoch - sorry - zu dem Schluß gelangt, daß wir Ihnen einiges, wenn nicht sogar: das Wesentliche, an unserem Buchprojekt noch einmal erläutern sollten. Dabei sind wir schon ein bißchen verzweifelt, daß Sie sich nicht schon längst die Finger nach unserem Manuskript lecken. Denn alle (wirklich: alle) Menschen, mit denen wir sprechen, sind tatsächlich von der Buchidee begeistert und fragen nur, was wir falsch machen bzw. was wir Ihnen beim Eichbornverlag denn so schicken, daß Sie die Idee der Überholspur nicht gut finden können. Es könnte ja sein, daß wir über die Maßen charismatische Persönlichkeiten sein sollten, sodaß sich keiner traut zu sagen, was für eine schwachsinnige Idee das nun wieder ist, aber das glauben wir nicht, denn es handelt sich bei unseren Referenzpersonen durchaus auch um Menschen, die uns in anderen Fällen auch schon ordentlich die Meinung gesagt haben.
Also:
Sie schreiben, daß Sie unsere Idee nach wie vor nicht als "Buch" sähen. Das ist insofern richtig, als das Leben auf der intellektuellen Überholspur weniger ein Buch im klassischen Sinn ist, das durch das Wissen oder das Talent von ein oder zwei erstklassigen Autoren für andere Menschen lesenswert bzw. zum Bestseller werden könnte. Natürlich nicht, denn wir würden auch nicht unbedingt die Memoiren von, sagen wir mal: Oliver Domzalski, kaufen wollen, auch wenn er vielleicht ganz schön und unterhaltsam schreibt. Sie haben hier völlig recht. Aber dieses Argument geht dennoch am eigentlichen Punkt vorbei. Denn, klar: Jeder könnte dieses Buch schreiben. Hat aber noch keiner. Womit wir zum ersten Argument kommen: Das Leben auf der intellektuellen Überholspur ist vielleicht weniger ein Buch als eher ein Buchprojekt. Es interessiert uns nicht so sehr das Präsentieren von Informationen bzw. das Verweisen auf das partielle Fehlen derselben, sondern der Akt des Offenbarens selbst (um das jetzt mal ein bißchen pathetisch auszudrücken). Damit wir uns richtig verstehen: Es geht uns in keinster Weise um irgendetwas wie Decouvrieren, Entlarven oder Bloßstellen, wie Sie anscheinend mutmaßen. Wir wollen einfach sagen: So, das ist es; das ist alles, was wir wissen, weißt Du mehr? Wir wollen ausdrücklich nicht ausschließen d. h. unterteilen in Wissende und Unwissende, oder in einer Talkshow für Schadenfreudige jemandem die Hosen herunterziehen. Wir haben uns selbst als Versuchskaninchen gewählt, um unser - ausdrücklich: ganz persönliches (Stichprobe: n=2) - Wissen, und zwar unser gesamtes, lückenloses Wissen zu den ca. 300 bedeutendsten Persönlichkeiten und Ereignissen der Menschheitsgeschichte aufzuschreiben. Für den Leser soll bzw. kann das auf der einen Seite natürlich einen humorvoll-unterhaltsamen Effekt haben, andererseits wird ihm dadurch jedoch auch eine positive Botschaft angeboten, worauf wir Sie auch schon in unserem ersten Exposé hingewiesen haben.
Sie haben ja schon einige Artikel von uns zugesandt bekommen. Wenn Sie diese vielleicht noch einmal durchlesen möchten, mit dem Augenmerk auf die Fragen: Wo weiß ich mehr? Wo weiß ich weniger? Auch wenn Sie als promovierter Akademiker vielleicht ja wirklich nicht zur Zielgruppe der Überholspur gehören sollten, so ist es doch so, daß man als Durchschnittsleser bei ca. 90% der Artikel wirklich nicht mehr weiß. Zumindest sagen das mit gewissem Vergnügen bzw. Erstaunen unsere Testleser (die übrigens auch nicht die Ungebildetsten sind). Und wir denken, daß sich damit die Frage nach der Repräsentativität unseres Ansatzes von selbst nicht mehr stellt. Es ist ziemlich gleichgültig, ob sich 2 bzw. - Sie eingeschlossen - 3 Personen oder eine Stichprobe von ca. 1000 Akademikern der Aufgabenstellung dieses Buchprojektes ausliefern, im Gegenteil: Durch so etwas wie die Dokumentation eines Querschnittswissens im breiten Sinn - "So fachidiotisch / ahnungslos ist unsere geistige Elite also!" - verliert die Idee enorm. Es ist doch nicht schlimm, bei einigen Personen oder Sachverhalten zugeben zu können, daß man da irgendwann schon einmal durchaus mitgeredet hat. Beim Nachdenken, was man denn konkret zu diesem Thema weiß, stellt sich plötzlich das erheiternde Gefühl ein, selbst nicht genau zu wissen, woher man diese Selbstsicherheit nimmt, mit der man durch den intellektuellen Diskurs navigiert.
Unsere Vorgabe der Autorenschaft "Akademiker mit Studienabschluß 1,0" ist in diesem Zusammenhang weniger dazu gedacht, unser umfassendes enzyklopädische Wissen oder unsere hervorragenden schriftstellerischen Fähigkeiten zu unterstreichen bzw. zu karikieren, als vielmehr der Vermarktungsmöglichkeit des Buches eine bestimmte Richtung zu geben. Nachdem wir ja in unserem letzten Schreiben schon auf die Möglichkeit einer Gold-Edition der Überholspur eingegangen sind, ist uns gestern beim Bier die Idee einer Light-Version gekommen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ihre Frage, wieso 10.000 oder mehr Leute nachlesen sollten, was den Herren Domzalski, Harms und Untch "so" einfalle (noch einmal: - einfalle, und zwar zu allen bedeutenden Personen der Menschheitsgeschichte, bei denen man sich schämen müßte, nichts zu wissen), ist in ebendiesem Sinne zu beantworten, nämlich, daß den potentiellen Käufern die Idee womöglich einleuchten wird, daß sich da drei junge (?) Menschen hingesetzt haben und sich wirklich die Mühe gemacht haben, dieses Buch zustandezubringen und ihm, dem Leser, nun ihr gesamtes Wissen, wie ein Hirn auf einem Tablett, präsentieren. Wir glauben, Ihnen versichern zu können, daß es nicht wenige Menschen geben wird, die dieses Buch einfach kaufen müssen, weil sie die Idee so gut finden (und nicht nur weil es im Stern, in der Allegra und in der ZEIT als interessant und vergnüglich rezensiert worden sein wird, und womöglich nicht einmal als "Jux-Buch").
Wir denken darüberhinaus, daß sich dieses Buch hervorragend als Verschenkbuch eignet, weil man damit den Beschenkten, wie auch sich selbst, eine gewisse geistige Regheit attestiert: "Ich schenke dir ein Buch, in dem alles, wirklich alles steht, was du wissen mußt, um mitreden zu können!" Und es wird dem Buch und seiner Vermarktung gewiß auch nicht schaden, als Klolektüre mit Humor und Inhalt gehandelt zu werden, weil man nach Aussagen unserer Testleser beim Lesen und Blättern förmlich in dieses Buch hineingezogen wird.
Daher nur noch einmal unsere eindringliche Bitte: Versuchen Sie doch wirklich, die entsprechend öde Kantinenstunde möglichst schnell herbeizuführen. Es macht Spaß, und wenn Sie sich tatsächlich Mühe geben wollen, sich unserem Konzept anzunähern, denken wir, daß sich wirklich auch eine interessante neue Perspektive bzw. Qualität für Ihren Verlag ergeben könnte.
Zum letzten Punkt: Es ist natürlich bei einer anvisierten Auflagenhöhe im fünfstelligen Bereich schwer, sich einen Käufer bzw. Leser des Lebens auf der intellektuellen Überholspur als konkrete Person herauszugreifen und ihn / sie als Vertreter einer bestimmten Zielgruppe zu beschreiben. Da Sie sich jedoch auch so große Mühe mit uns geben, wollen auch wir versuchen, uns in die Position eines Verlagslektoren zu versetzen, dessen Hauptaugenmerk natürlich zweifelsohne das unternehmerische Risiko des Verlagshauses sein muß.
Nundenn: Der Käufer ist natürlich nicht die Hausfrau, mit der wir unser Buchprojekt bewerben, sondern männlich (muß nicht sein, stellen wir uns aber so vor) und zwischen 17 und 43 Jahren alt (dito). Seine Hauptmerkmale sind Aufgeschlossenheit und Humor und sein Name ist Oliver Domzalski (nein, war ein Witz.) Also, der Käufer ist vermutlich tatsächlich Student oder Akademiker und liest sonst vielleicht eher Bücher aus dem Hause Merve. Er ist in jedem Falle undogmatisch und pflegt daher seine Zweifel, daß sich das gesamte Wissen der Menschheit auf der Encharta-CD-Rom von Microsoft befindet.
Wissen Sie was? Wir werden mit unserem Manuskript verschiedene Menschen, die uns garantiert nicht bekannt sind, in den Kaffeehäusern der Hauptstadt ansprechen und diese befragen, warum sie dieses Buch denn kaufen wollen würden. Dazu werden wir Fotos machen, die wir Ihnen in unserem nächsten Schreiben zusenden werden, als wirklich handfeste Argumente. Einverstanden?
Mit freundlichen Grüßen,
P.S. Wir haben am kommenden Montag, den 9. August, einen Interviewtermin mit einem Redakteur des Deutschlandfunks. Wäre es da nicht von Vorteil, wenn wir schon im Vorfeld etwaige Vermarktungsmöglichkeiten absprechen könnten? Denn natürlich könnten wir wieder die Wissenschaftsschiene reiten, aber wäre es denn nicht taktisch klüger, schon darauf hinzuweisen, daß das Leben auf der intellektuellen Überholspur schon so gut wie gedruckt ist, und zwar beim renommierten hessischen Eichbornverlag? Wir müssen ja noch nicht unbedingt die ISBN-Nummer durchsagen, aber es werden schon der eine oder andere Buchhändler bzw. ZEIT-Redakteur vor den Radiogeräten sitzen.

 


02.08.99 10:46:06 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit

Liebe Herren,
Sie sind hartnäckig.
Und Sie beginnen, Ihr Zeitkonto bei mir zu überziehen.
Ich bin und bleibe nicht überzeugt.
Ein Freund und ich haben einmal einer Sportagentur angeboten, im Vorprogramm eines Bundesligaspiels unser Können in allen Sportarten vozuführen. Den Vorschlag hätte jeder machen können. Hat aber noch keiner. Womit wir zum ersten Argument kamen: Und interessierte nicht so sehr das Präsentieren von Fähigkeiten bzw. das Verweisen auf das partielle Fehlen derselben, sondern der Akt des Offenbarens selbst (um das jetzt mal ein bißchen pathetisch auszudrücken). Wir waren sicher, daß die 60.000 im Stadion das nicht nur unterhaltsam fänden, sondern auch als Quell der Lebensfreude sehen müßten. Diejenigen, die weniger können als wir, würden sich freuen, weil sie nach dem Zuschauen mehr wüßten - sogar soviel, wie ein richtiger Hobbysportler. Diejenigen, die mehr könnten, würden sich freuen, weil sie sehen, daß man auch mit weniger Können durchkommt. Wir dachten auch, daß den potentiellen Zuschauern die Idee womöglich einleuchten würde, daß sich da zwei junge Menschen hinstellen und sich wirklich die Mühe machen wollten, ihre gesammelten sportlichen Fähigkeiten wie auf einem Tablett zu präsentieren. Wir waren sicher, daß es nicht wenige Menschen geben würde, die diese Vorführung einfach sehen mußten , weil sie die Idee so gut fanden. Können Sie mir erklären, warum die Sportagentur uns abgesagt hat?
Mit diesem Gleichnis betrachte ich unsere Korrespondenz über das Projekt als beendet. Ich habe zu tun.
Bitte sagen Sie dem Deutschlandfunk also nicht, das Buch werde bei Eichborn erscheinen!
Das wird es definitiv nicht!
Mit der Bitte um Verständnis und freundlichen Gruß
Oliver Thomas Domzalski

 


2. August 1999

Sehr geehrter Herr Domzalski,
auch wenn Sie nun "zu tun haben", kommen wir nicht umhin, noch einmal einige Punkte klarzustellen. Eins nur vorweg: Wir empfinden es nicht als saubere Methode, den Stil eines Gegenübers aus Effektgründen zu imitieren bzw. zu karikieren. Wir dachten, Sie hätten solches nicht unbedingt nötig.
1. Standhaftigkeit (!) betrachten wir als Ausdruck unserer Überzeugung. Sie scheinen ja auch nicht so einfach einzuknicken.
2. Wir gingen davon aus, daß Ihre Arbeit zumindest teilweise in der Kontaktaufnahme und Betreuung von Nachwuchsautoren bestehen könnte. In diesem Sinne hatten wir nie ein Zeitkonto bei Ihnen beantragt. (Mißverstehen Sie das bitte nicht, aber es ist nicht unbedingt fair, unterstellt zu bekommen, lästig zu sein, wenn man sich selbst gezwungen sieht, offenbar unklar gebliebene Sachverhalte immer wieder aufs Neue zu erklären.)
3. Die Idee mit der Sportvorführung ist gar nicht übel. Aber: Sind Sie denn wirklich so unsportlich, wie Sie uns unterstellen, uninspiriert zu sein? Wenn Sie uns zum jetzigen Zeitpunkt mit "Hobbysportlern" vergleichen, dann fragen wir uns, warum wir uns überhaupt weiterhin bemühen sollten, Sie in seitenlangen Schreiben von der Ernsthaftigkeit unseres Anliegens zu überzeugen. Es geht uns, noch einmal, nicht darum, uns zu entblöden, sondern - ach, nicht schon wieder. Können Sie denn tatsächlich nicht einen interessanten Projektvorschlag von offenkundigem Nonsens unterscheiden? Wenn Sie tatsächlich meinen, den Kern unseres Anliegens in diese mittelmäßig geschriebene Parabel packen zu können: Herzlichen Glückwunsch. Bleiben Sie bei Ihrer Meinung und viel Spaß bei den nächsten Manuskriptangeboten, wie Das lustige Sexualleben der Pflanzen, Bockstarker Wissensstriptease etc.
4. Wenn Sie unsere Korrespondenz einseitig als beendet erklären wollen, irritiert es uns doch, warum Sie darin dann noch weitere Fragen an uns richten. Wenn es Sie jedoch wirklich interessiert, warum wir meinen, daß diese "Sportagentur" Ihnen abgesagt haben könnte, möchten wir Sie einladen, daß Sie sich, wenn Sie einmal in näherer Zukunft in Berlin zu tun haben, bei uns melden, und wir können dieses Thema dann in aller Ruhe besprechen.
Um Antwort, ggf. Richtigstellung, bitten
R. Harms, R. Untch

 


13. Oktober 1999

Sehr geehrter Herr Dr. Domzalski.
Hiermit möchten wir Sie darüber in Kenntnis setzen, dass wir momentan von unserem Rechtsanwalt rechtliche Schritte gegen Sie bzw. Ihr Verlagshaus prüfen lassen.
Wie Sie vermuten konnten, beobachten wir in letzter Zeit sehr genau die Publikationspolitik Ihres Verlags. So ist uns natürlich auch der Titel "Bildung - Alles was man wissen muss", Eichborn Verlag, DM 49,80 von einem gewissen Professor bzw. Talkshowstar namens Dietrich Schwanitz nicht entgangen.
Wir zitieren aus einer Rezension, erschienen im SPIEGEL online 41 / 1999: "Denn für ihn ["Schwanitz"] ist das lustvoll bis flapsig eingedampfte Wissen ein großes Spiel, ein fröhlicher Kassensturz unserer Traditionsbedürfnisse." Und weiter: "Entsprechend lässt der Schwanitz-Kanon sich durchaus als intellektueller Striptease eines alternden deutschen Akademikers lesen, der das, was ihm für das Verstehen der großen Zusammenhänge genügt, auch anderen empfiehlt."
Nun? Erinnern Sie sich?: "Mir ist weiterhin schleierhaft, wieso jemand ein Buch sollte lesen wollen, in das Sie beide und meinetwegen auch ich hineingeschrieben haben, was Ihnen/uns so einfällt zu Planck und Einstein etc. Mir mangelt es gewiß nicht an Autoreneitelkeit, aber ich weiß doch: Das will niemand lesen! Und ich bestreite auch weiterhin tapfer, daß es unterhaltsam wäre." Und auch hier weiter: "Die ‚Entlarvung' des allseits bekannten Umstands, daß Akademiker oft Fachidioten sind, die über Themen von allgemeinem Interesse nur ungefähr Bescheid wissen, noch dazu vorgeführt an einer statistisch unglaublich aussagekäftigen Gruppe von zwei (in Worten: 2) Exemplaren der Spezies, ist kein Buchthema!"
Hoppla, Herr Oliver Domzalski, woher der plötzliche Meinungsumschwung Ihres Lektorats? Fanden Sie die Stichprobe n=1 doch aussagekräftiger? Bzw.: Wann genau hatten Sie bzw. Ihr Kollege Bischoff unser erstes Exposé vorliegen? Und wann ist Herr Schwanitz mit seiner Buchidee bei Ihnen vorstellig geworden? Doch nicht nach dem 17. August diesen Jahres, dem Tag Ihrer endgültigen Absage (siehe Anlage)? Wie steht es eigentlich um die Kommunikation innerhalb Ihres Verlagshauses? Oder sollte ein Autor möglicherweise von Ihnen gedungen worden sein, eine gar nicht so schlechte Idee rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse umzusetzen?
Wir hoffen, Sie verstehen, dass wir es nicht bei einer Abmahnung belassen können und fordern Sie hiermit auf, eine Stellungnahme zu diesem Vorfall abzugeben.
Hochachtungsvoll,

 


20. Oktober 1999

Sehr geehrter Herr Domzalski.
Na gut. Die letzte Mail war vielleicht etwas hart. Aber jetzt mal Hand aufs Lektorenherz: Wie würden Sie sich wohl fühlen, von Ihrem Lieblingsverlag einen 100% abschlägigen Bescheid zu einer Buchidee zu bekommen, um die nahezu identische Idee just zwei Monate später von ebendiesem Verlag noch druckfrisch auf der größten deutschen Buchmesse präsentiert zu sehen?
Sie müssen verstehen, daß wir nicht schlecht gestaunt haben über Ihren Streich, mit dem Sie es geschafft haben, uns zuvorzukommen bzw. auszubooten. Da steckte wirkliche Enttäuschung drin. Der Zufall war natürlich auch beteiligt, dies zu Ihrer Entlastung, als wir entschieden, gerade dem Eichborn-Verlag unser Konzept anzubieten. Dadurch, daß Sie uns dann hingehalten haben, was uns wiederum viel Zeit kostete, ist Ihnen vorerst ein peinlicher Zwischenfall erspart geblieben: Zwei Nachschlagewerke im Direktvergleich.
Gut - was bleibt, ist entweder der Ideenklau oder - wahrscheinlicher - die absichtliche Täuschung, um uns von der Vollendung unseres Buchprojekts vor der Fertigstellung eines nahezu identischen Konzeptes des Eichborn - Verlages abzuhalten. Rechtlich ist das nach Auskunft unseres Anwaltes eher 50:50, es sei denn, Sie können uns keine Beweise liefern, daß Schwanitz vor dem 26.4.1999 die Idee hatte. Was nicht heißt, daß wir es nicht gerichtlich versuchen können. Aber ich denke, wir stimmen eigentlich darin überein, auch wenn Sie das jetzt nicht offen zugeben können, daß dieser Fall schon aus berufsethischen Gründen mehr als zweifelhaft erscheint. Deshalb würden wir gerne mit Ihrem Verlag über eine außergerichtliche Einigung verhandeln, auch, um die nächsten Fragen neugieriger Fernsehreporter souveräner beantworten zu können.
MfG,
P.S. : Dabei hatten Sie in natura gar nicht einen so durchtriebenen Eindruck gemacht. Mensch, Herr Domzalski, wenn Schwanitz wirklich schon vor uns bei Ihnen auf dem Teppich gestanden haben sollte, warum haben Sie uns das nicht gesteckt? Oder anders gefragt: Worin sehen Sie denn den Unterschied zwischen "Bildung - ..." und dem LEBEN AUF DER INTELLEKTUELLEN UEBERHOLSPUR? Das würde uns mal wirklich interessieren.
P.P.S.: Wir können nicht umhin, Ihnen noch einen kleinen, aber feinen Artikel zur Lektüre mitzuschicken:
Leseprobe Leibniz


Datum: 20.10.99 13:30:25 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit

Sehr geehrte Herren,
hier sind Sie richtig: hier ist das Humorlektorat.
Ihre letzte Mail hatte ich halbversehentlich gelöscht, ohne sie zu lesen. Offenbar enthielt sie eine Be-schimpfung, weil bei uns in diesem Herbst ein seit langem geplantes Buch von Dietrich Schwanitz erschienen ist, von dem Sie irrtümlich annehmen, sein Inhalt habe irgend etwas mit dem Geschreibsel zu tun, das Sie uns einest angeboten hatten.
Da Ihre Annahme, ich hätte Sie absichtlich im Unklaren gelassen über den Schwanitz-Plan, damit sein Buch nicht von Ihrem überrragend brillanten Werk überstrahlt würde, ein ebenso offenischtlicher Scherz ist wie alle daraus folgenden Schlußfolgerungen, Forderungen, Angebote etc., hefte ich Ihr Schreiben in meinen Ordner "Kuriosa" ab und betrachte unsere Korrespondenz hiermit endgültig als beendet.
Mit freundlichem Gruß
Oliver Th. Domzalski

 


20. Oktober 1999

Sehr geehrter Herr Oliver Th. Domzalski.
Das hat man doch schon in der Pubertät gelernt, dass es nichts hilft, die Augen zu schliessen, wenn man auf der Strasse steht und plötzlich bemerkt, dass ein Auto auf der Überholspur herangebraust kommt. So bemühen Sie sich, unsere Korrespondenz endgültig als beendet zu betrachten - wir jedoch nicht. Und auch wenn Sie sich halbversehentlich dumm und taub stellen wollen, sollte Sie dieses Verhalten nicht dazu verleiten, unflätig zu werden.
Wir stellten Ihnen allgemein verständliche Fragen und da Sie bisher vermieden haben, diese zu beantworten, möchten wir Sie hiermit nochmals auffordern, wütende Lösch-Orgien in Zukunft zu unterlassen und sachlich mit einer Begründung herüberzukommen, weshalb wir in der Angelegenheit "Schwanitz", mit dem wir übrigens auch schon Kontakt aufgenommen haben (dies nur als Information), nicht von einem Skandal sprechen sollten. Wir denken nämlich, wie Sie vielleicht heimlich vermuten, dass Ihnen selbst eventuell ein Irrtum bezüglich der Einschätzung der Ähnlichkeit unseres krassen Geschreibsels mit dem superbockstarken Geschreibsel Schwanitz' unterlaufen sein könnte.
Wir meinen es ernst.
Danke.

 


Datum: 20.10.99 15.37 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit

Den angekündigten rechtlichen Schritten sehe ich mit der größten Gelassenheit entgegen.
OTD