Glatzköpfiger
Bolschewist mit Spitzbart. L. gilt als Erfinder des Marxismus-L.ismus,
der später besonders in der Dritten Welt sehr populär wurde.
Er hat die Bücher von Karl Marx und Friedrich Engels gelesen, vermutlich
gab es davon sogar eine Übersetzung ins Russische. Aus diesen Büchern,
die ja bekanntlich zum „Klassenkampf” ermunterten, entwickelte
er ein Organisationsprinzip für Staaten, anwendbar auf einzelne
Länder, z. B. Kuba, oder die ganze Welt (Kommunistische Internationale).
Da er sein Vorhaben unvorsichtigerweise öffentlich kundtat, schickten
die russischen Behörden L. nach Sibirien in die Verbannung. Von
dort konnte er aber ins Exil nach Deutschland und in die Schweiz flüchten,
wo er vermutlich schon unter dem Namen L. auftrat, der ein Deckname
war.
L. wohnte während des Ersten Weltkrieges zeitweise in der Spiegelgasse
Nr. 12 in Zürich, schräg gegenüber vom bekannten Cabaret
Voltaire, eines DADAistischen Vorführungssaals, und arbeitete daran,
die Russische Revolution, die nach seinen Plänen in der Weltrevolution
münden sollte, theoretisch vorzubereiten. Der Tag, an dem die Revolution
in Rußland schließlich stattfand, fiel genau wie andere
wichtige Termine auf einen 7. November. Das war im Jahr 1917. Sie wurde
deshalb Oktoberrevolution genannt, weil es in Rußland noch eine
andere Monatsrechnung gab, was heute aber angeglichen ist. L. ist erst
später in Moskau bzw. Petersburg eingetroffen, er hat also mit
der grausamen Ermordung der Zarenfamilie, bei der evtl. die eine Tochter
Anastasia abhandengekommen ist, nicht unmittelbar etwas zu tun. So galt
L. auch im Gegensatz zu seinem Kontrahenden und Nachfolger Stalin eher
als milder und guter Revolutionär, auch wenn er bei den Streitigkeiten
zwischen den konkurrierenden Kommunistengruppen der Bolschewiki und
der Menschewiki bzw. der Roten und der Weißen keine kompromissbereite
Position vertrat.
L. war ein geschickter Rhetoriker, der viele Gelegenheiten nutzte, zu
Bauern, Soldaten und Werft- bzw. Fabrikarbeitern zu sprechen, wobei
diesen Reden meist auch durch ein rotes Fahnenmeer stimmungsvoll umrahmt
wurden. Sein Ausspruch „Alle Macht den Sowjets” begeisterte
die ihm zuhörenden Massen und brachte ihm auch langfristig große
Popularität ein. Er war für einige Jahre Staatsratsvorsitzender
der neugegründeten Sowjetunion, eines Zusammenschlusses von Ländern
rund um das russische Zarenreich, die nach dem Bürgerkrieg die
Absicht hatten, es mit dem Kommunismus probieren zu wollen. In diesem
Amt kümmerte er sich um die zügige Elektrifizierung Rußlands,
nicht zuletzt, weil er eine wichtige und zeitaufwändige Reise in
einem vielleicht sogar verplombten Eisenbahnwaggon unternommen hatte,
was unter Mitwirkung eines hohen deutschen Adeligen in Regierungsfunktion
ausgehandelt worden war.
Lange blieb L. aber nicht an der Macht, weil er schon seit längerem
unter einer schweren Krankheit gelitten hatte. Mitte der 20er Jahre
war L. tot und wurde im Mausoleum nicht unweit des roten Platzes in
Moskau einbalsamiert der trauernden Öffentlichkeit präsentiert.
Auch wurde die Stadt Petrograd, einst St. Petersburg, in L.grad umbenannt,
was heute jedoch wieder rückgängig gemacht wurde, weil in
der Zwischenzeit L. aufgrund der Spätfolgen der von ihm ausgelösten
Revolution in der russischen Bevölkerung etwas in Mißkredit
geraten ist.
Schließlich ist noch anzumerken, daß L. über ein außerordentlich
leistungsstarkes Gehirn verfügt haben soll.