Konsequent vernünftiger
deutscher Philosoph. Im 18. Jhdt. gab es in Europa eine Gruppe von Gelehrten,
die vorgaben, sich sicher zu sein, daß es auch unabhängig
von Gottes Schöpfung Erklärungen geben müßte, warum
alles so ist, wie wir es mit eigenen Augen sehen oder fühlen können.
K. hatte eine Idee, wie man diese Behauptung weiterentwickeln könnte.
Da er ahnte, daß diese Idee längere Zeit in Anspruch nehmen
würde, soll er sich etwa gesagt haben: „Du hast noch 25 Jahre,
bei etwas Glück noch 30. Das sind soundsoviel Minuten. Ich werde
fortan fleissig sein.” K. schlief danach nur noch ca. 5 Stunden
je Nacht und tat es damit Napoleon gleich, wenn auch aus gegenteiligem
Grund. Morgens aß er immer eine Scheibe Schwarzbrot und trank
dazu Leitungswasser oder Schwarztee. Danach unternahm er einen kleinen
Verdaungsspaziergang von möglichst exakt 60 Minuten Dauer. Er hatte
keinen unzweckmäßigen Sex und ließ sich nicht durch
andere Genüsse von seiner Fleissarbeit abhalten. Er las lediglich
und dachte und schrieb, weshalb K. bis heute als einer der disziplinier-testen
Menschen überhaupt gilt. Diese Unbeirrbarkeit rief selbstverständlich
auch Spötter auf den Plan, die ihn in Karikaturen unvorteilhaft
darstellten und auch die schrullige bis paranoide Hauptfigur im späteren
Roman Die Blendung von Elias Canetti soll angeblich an die
Person K.s angelehnt sein. Allerdings handelt es sich hier um einen
Sinologieprofessor.
Durch diese unverdrossene Suche nach der Wahrheit erfand K. allerlei
Begriffe für sein Erkenntnismodell und verfasste eine Skizze zu
seinem Lebenswerk, den drei Kritiken, die alle wichtigen Gebiete der
Philosophie endgültig erklären und damit der Menschheit endlich
zur ultimativen Weisheit verhelfen sollten. So kam K.s bedeutendes Buch
zum Thema Philosophie mit dem Titel Die Kritik der reinen Vernunft zustande,
welches umständlich formuliert oft die Worte „metaphysisch”
und „transcendent” enthält, die bedeuten, daß
es noch etwas hinter dem Normalen gibt, oder ähnliches wie: „Eine
Sache ist noch längst nicht, was sie zu sein scheint”, bzw.
„Die Dinge werden subjektiv verändert durch des Menschen
Wahrnehmung”, wobei weniger herumliegende Gegenstände, als
bisher sicher geglaubte Erkenntnisse gemeint sind. Das letzte Buch aus
der Kritik-Reihe heißt Kritik der Urteilskraft. Mit diesem Buch
tat K. sich besonders schwer, weil er da schon die 1000 Seiten der ersten
beiden Kritiken zu berücksichtigen hatte und sich daher so manche
logische Ungereimtheit leistete, wie man von erfahrenen Philosophiestudenten
hört.
Die griffigen Titel, die K. seinen Büchern gab, haben zahlreiche
andere Philosophen nach ihm dazu verleitet, ihn nachzuahmen, so z. B.
der mittlerweile stark umstrittene Peter Sloterdijk, der für sein
voluminöses Buch Kritik der zynischen Vernunft noch hoch gelobt
wurde.
Weshalb viele Menschen K. zusätzlich gerne kritisieren wollen,
ist der Umstand, daß er ein Monarchenfreund war und sich auch
lautstark für die Abschaffung der Demokratie eingesetzt hat. Denn
eigentlich meinte er, jeder müsse sich ganz von selbst so verhalten,
daß die Gesellschaft funktioniert. Er nannte das nicht Anarchie,
sondern den Kategorischen Imperativ, der sprichwörtlich in einprägsamer
Reimform lautet: „Was du nicht willst das man dir tu, das füg‘
auch keinem anderen zu”.
K. starb alt in Königsberg, der Stadt, die eher durch ein gleichnamiges
Hackfleischgericht bekannt geworden ist, nicht ohne vorher noch zugegeben
zu haben, daß es Gott trotz allem geben könnte.